Von Engeln. Und von Rittern des Lichts.
Photo: „Pferdestärke“, ND
Musik: Stille
Paris, in den 1970ern. Es war einmal eine Mademoiselle von zirka neunzehneinhalb Jahren. Sie hätte gerne Bildhauerei studiert, doch war sie bitterarm. Und schön wie ein Engel, weil sie klug war, und von Herzen gut. Dieses hatte sie zum ersten Mal verschenkt - an einen sehr attraktiven jungen Mann aus dem sechzehnten Arrondissement, welcher ihr ein ganzes Jahr lang nach allen Regeln der Kunst den Hof gemacht hatte und da sie zu den letzten großen Romantikerinnen dieser Erde zählte und höchst empfindsam war, hatte sie die Gabe, besonders intensiv zu fühlen. Ob ihrer Unsicherheit begann die Stimmung zu kippen, dennoch oder gerade deshalb wurden ihre Gefühle unaufhaltsam stärker. Und da sie eines Tages mehr empfand als er, begann sich der junge Mann, der von Haus aus in jeder Hinsicht sehr verwöhnt war, zu fadisieren. Nach fünf Monaten trennte er sich von ihr, natürlich auf die „elegante“ Tour. Vor Tränen des Kummers blind lief sie von dannen in die Kälte des Winters hinaus ins Nirgendwo. Irgendwann fand sie sich vor dem Eiffelturm wieder, und sie begab sich in den ersten Stock, an die Stelle, wo er ihr einst seine feurige Liebe bis in alle Ewigkeit und etwas mehr gestanden hatte. In ihrer unendlichen Verzweiflung wählte sie den Freitod und stürzte sie sich gen Mittelpunkt des Turmes hinab. Aber ihre Zeit war noch nicht gekommen und so fiel sie auf einen grauen deux chevaux. Ein Student der Medizin, der brillant auf seinem Gebiet, in alltäglichen Dingen des Lebens aber oft etwas überfordert war, hatte den Citroen dreißig Minuten zuvor falsch geparkt. Dank des Fahrzeugs, das daraufhin einen Totalschaden hatte, überlebte die junge Frau schwer verletzt. Die ausgezeichnete Federung hatte den Aufprall aufgefangen. Die junge Frau stand monatelang unter ärztlicher Beobachtung im Krankenhaus. Nachdem der Student alle Hebel in Bewegung gesetzt hatte, um die Identität der Patientin in Erfahrung zu bringen, erkundigte er sich schüchtern nach ihrem Befinden, und fragte, ob er sie sehen darf. Er besuchte sie - erst einmal, dann täglich. Es kam, wie es kommen sollte. Irgendwann wich der Student, soweit es seine drei Nebenjobs zuließen, nicht mehr von ihrer Seite, und hielt ihre Hand. Sie heirateten und gründeten eine Familie mit drei entzückenden Kindern. Und die École des Beaux-Arts ging sich daneben auch noch aus. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.
Bonjour, liebe Lesemäuse! Rund um den Eiffelturm ranken sich Unmengen an überlieferten Geschichten, im positiven wie auch im negativen Sinn. Diese habe ich besonders gern.
Alles Gute von Wolke 7!